Hässliche Wörter
Hate Speech als Prinzip der neuen Rechten
von josch am 2022-01-17

"Ihre 'Analysen' zur AfD" steht im Betreff der E-Mail, die ich nach einer Radiosendung über die Sprache der AfD im ARD Hauptstadtstudio erhalte. Aus der Andeutung einer gewissen Distanz zum Inhalt dieser Analysen, die der Autor durch die Anführungszeichen zum Ausdruck bringt, wird im Mailtext eine schmähende Anklage. Meine Forschung sei eine "linke Verunglimpfung" all jener Menschen, die "nicht hündisch vor dem Mainstream kuschen". Der Autor schreibt von "kruden Schlüssen" und "pseudowissenschaftlicher Hetze" und fragt anklagend, was ich mit meinen "höchstintelligenten 'Untersuchungen' und höchstwissenschaftlichem Geschwafel eigentlich den Normalbürgern und Steuerzahlern aus den Taschen und Geldbeuteln" ziehe, sprich, mir "an EUROS aneigne"! Er verabschiedet sich dann noch sarkastisch "Mit sozialistischem Gruß", nicht ohne vorher klarzustellen, dass er mit einer Antwort nicht rechne, da mir dafür wohl "die EIER" fehlten.

Links, käuflich und entmannt, ein Mainstreamler, ein pseudowissenschaftlicher Schwafler, ja ein Hetzer war ich also -- darunter machte es dieser Verteidiger der AfD in seinem Furor der Empörung nicht. Die Sprache, die mir aus der Mail entgegenklang, kannte ich freilich nur zu gut. Als Sprachwissenschaftler an der TU Dresden hatte ich die Anfänge von PEGIDA und Querfront-Montagsdemonstrationen hautnah miterlebt, hatte mit Studierenden die Reden gehört und analysiert, war oft zu Diskussionsveranstaltungen eingeladen, hatte aber auch in Vereinen und Kneipen häufiger mit neuen Rechten diskutiert. Die Verachtung, die aus dieser Sprache spricht, prägt auch den Sound vieler Netzdebatten. Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik wurde öffentlich so viel geschmäht, geschimpft, beleidigt und gehetzt wie seit dem Erstarken der neuen Rechten. Und nie war es so einfach, als Chronist an den (digitalen) Stammtischen zu sitzen, dem sprachlichen Kesseltreiben gegen Minderheiten beizuwohnen und Zeuge verbaler Pogrome zu werden.

An diesen Stammtischen habe ich als stiller Zuhörer viel Zeit verbracht. In einer umfangreichen korpuslinguistischen Untersuchung von rund 30 neurechten Online-Plattformen habe ich mehr als 30.000 Schmähwörter gefunden. Von diesen sind rund 3.500 in meinem Buch Hässliche Wörter: Hate Speech als Prinzip der neuen Rechten versammelt, das gerade bei J.B. Metzler erschienen ist.

Entlang der wichtigsten Politikfelder stelle ich darin den Schmähwortschatz der neuen Rechten vor und ordne ihn als Ausdruck neurechter Ideologien ein. So entsteht ein Panoptikum erschreckend-bizarrer und abgründiger Wortbildungen, das die menschenverachtende und demokratiefeindliche Ideologie der neuen Rechten freilegt.

Das Buch zeigt nicht nur das Offensichtliche: Dass nämlich für die neuen Rechten herabwürdigendes und ausgrenzenden Sprechen zentrales Medium der politischen Auseinandersetzung ist. Es zeigt auch, dass in den vielfältigen Formen herabwürdigenden Sprechens ein ganzes Weltbild sichtbar wird, in dem Volksvertreter fremdgesteuerte Volkszertreter sind, im dem vor der Multikulti-KuscheldenNeubürger-Justiz nicht mehr alle Menschen gleich sind, in dem in Shithole-Städten wie Haramburg, Krankfurt oder Islamabad-Godesberg das Chaos herrscht und in dem Zionazi-Eliten sich verschworen haben, die angestammte Schlafschaf-Schlachtvieh-Bevölkerung durch Menschen aus Primitivistan und Subkulturistan zu ersetzen. Ein Weltbild, das den Boden bereitet für jene, die glauben, sich als Verteidiger von Recht und Ordnung, von Volk und Kultur aufspielen zu dürfen. Ein Weltbild, das den Boden bereitet für rechten Terror.

Mehr Informationen über das Buch und Materialien finden sich auf der Webseite:
haessliche-woerter.de

Das Buch kann man bestellen auf Amazon oder genialokal

Literatur

Scharloth, Joachim (2021): Hässliche Wörter. Hatespeech als Prinzip der neuen Rechten. Heidelberg: Metzler.

Kategorie: Publikationen, Linguistik; Keywords: Hassrede, Hate Speech, neue Rechte