Hassrede in Japan
Japan gibt sich ein Gesetz gegen Hate Speech
von josch am 2016-09-29

Am 25. Mai verabschiedete das Japanische Parlament ein "Gesetz zur Förderung von Anstrengungen zur Beseitigung diskriminierender Rede und diskriminierenden Verhaltens gegen Personen, die nicht aus Japan stammen" ("Act on the Promotion of Efforts to Eliminate Unfair Discriminatory Speech and Behavior against Persons Originating from Outside Japan"), das seit dem 3. Juni 2016 in Kraft ist. Wie der Name des Gesetzes schon sagt, stellt das Gesetz Hate Speech nicht unter Strafe, will aber Maßnahmen befördern, die das Auftreten von Hate Speech dokumentieren, das Bewusstsein in der Bevölkerung durch pädagogische Maßnahmen und Kampagnen heben und Institutionen auf lokaler Ebene schaffen, die Beschwerden über diskriminierende Äußerungen und Schlichtung von Konflikten ermöglichen.

Während der ursprüngliche Gesetzentwurf der Liberaldemokraten (LDP) die Definition von Hate Speech auf Drohungen beschränkte, die sich gegen den Körper, das Leben oder die Freihet von Nicht-Japanern richten, sowie auf verhetzende Äußerungen, die die Exklusion und Herabwürdigung von Nicht-Japanern beinhalten, wurde der Begriff auf Drängen der Demokratischen Partei (DPJ) auch auf stark provozierende Beleidigungen ("egregious insults") der nicht-japanischen Bevölkerung ausgedehnt. Im Wortlaut der offiziellen englischen Übersetzung:

In this Act, "unfair discriminatory speech and behavior against persons originating from outside Japan" shall mean unfair discriminatory speech and behavior to incite the exclusion of persons originating exclusively from a country or region other than Japan or their descendants and who are lawfully residing in Japan (hereinafter referred to in this Article as "persons originating from outside Japan") from the local community by reason of such persons originating from a country or region other than Japan, such as openly announcing to the effect of harming the life, body, freedom, reputation or property of, or to significantly insult, persons originating from outside Japan with the objective of encouraging or inducing discriminatory feelings against such persons originating from outside Japan.

Anlass für die Erarbeitung des Gesetzes waren die sich seit 2012 mehrenden Kundgebungen von Ultranationlisten, darunter auch der Zaitokukai, die teilweise in koreanisch geprägten Stadtteilen wie Shin-Okubo in Tokyo oder Tsuruhashi in Osaka stattfanden. Schon 1995 hatte Japan die UN-Rassendiskriminierungskonvention ratifziert, musste sich jedoch vom UN-Sonderberichterstatter für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit 2005 vorwerfen lassen, dem Problem des Rassismus nicht mit dem gebotenen politischen Engagement zu begegnen. Japan wurde von der UN mehrfach aufgefordert, ein Anti-Diskriminierungsgesetz zu verabschieben. Auch vor diesem Hintergrund muss die Verabschiedung des Gesetzes gesehen werden.

Gegen die Interpretation, nach der nur nicht gerechtfertigte ("unfair") diskriminierende Rede verboten sei, wenden sich beide Kammern des Japanischen Parlaments in einer ergänzenden Feststellung:

The interpretation of Article 2 of this Act that certain form of discriminatory speech and behavior may be allowed as long as it is not the "unfair discriminatory speech and behavior against persons originating from outside Japan" is not correct, and any form of discriminatory speech and behavior shall be appropriately dealt with in view of the intent of this Act, and the spirit of the Japanese Constitution and the International Convention on the Elimination of All Forms of Racial Discrimination.

Verglichen mit dem, was die Kampagne der deutschen Regierung gegen Hate Speech im Netz auslöste, nimmt sich die Kritik in Japan eher bescheiden aus. Neben der Tatsache, dass das Gesetz Hate Speech nicht strafrechtlich verfolgbar macht, ist es vor allem die Beschränkung seiner Gültigkeit auf Menschen, die sich legal in Japan aufhalten ("who are lawfully residing in Japan"), die Kritiker unter den Befürwortern eines Anti-Hate-Speech-Gesetzes auf den Plan ruft. Von der Gegenseite wird das Gesetz als Form der staatlichen Einflussnahme auf den öffentlichen Diskurs und als Einschränkung des Rechts auf freie Meinungsäußerung verunglimpft.

Die japanische Regierung hat indes neben anderem Material ein Video veröffentlicht, das die schädliche Wirkung von Hate Speech und anderen Formen der Diskriminierung aufzeigt und die Bevölkerung sensibiliseren soll. Auch PEGIDA kommt darin vor:



Der Bürgermeister von Osaka, Toru Hashimoto, hat sich vor einiger Zeit den Kritikern seiner Anti-Hate-Speech-Politik gestellt. Mit dem Vorsitzenden der Zaitokukai, Makoto Sakurai, lieferte er sich ein Rededuell, in dem die Kontrahenten nach kürzestert Zeit jede Höflichkeitsform beiseite ließen. Die Aggression ging dabei von Sakurai aus.



Ein Beleg, dass es sich nicht lohnt, mit Menschen über eine inklusive Gesellschaft und sprachliche Sensibilität zu streiten, die mit Hate Speech Politik machen - nicht einmal in einem Land mit einer Höflichkeitskultur wie Japan.

Kategorie: Gesellschaft, Recht; Keywords: Hate Speech, Hassrede, Herabwürdigung, Japan, Gesetze